GABI DZIUBA

Foto Günther Förg

Gabi Dziuba trägt 1980: Disco, Punk und Pop, die RAF, atomare Albträume, aufgeputschte Wirtschaft, zerstörte Umwelt ... Widersprüche, Zersplitterung. Nichts trägt, nichts hält mehr zusammen. Nichts, was verlässlich wäre, unbelastet schonmal gar nicht. Das Jahrhundert kaputt. Was wollte man da schmücken? Und wie?

Gabi Dziuba tritt mitten in diese fragwürdig gewordene Zeit hinein. Geboren am Bodensee, studiert sie zunächst an der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim, wechselt aber schon bald nach München an die Akademie. Ihr erstes gültiges Schmuckstück schafft sie 1975 – einen Ring mit aufgesetzter, wehender Fahne. Die klassischen Formen und Materialien mögen zwar beschädigt sein, nur heißt das nicht, dass man sie nicht gerade deshalb herausstellen und zeigen kann: »Flagge zeigen«. Auch Schmuck gehört in die Welt der Zeichen.

Von Anfang an bricht Dziuba mit jeder kunsthandwerklichen Konvention. Was man darf, was man tut, was wie auszusehen hat, kümmert sie herzlich wenig. Gegenüber der Tradition ist ihr Schmuck verstörend. Nicht angepasst, angewandt, anschmiegsam, sondern individuell. Es geht nicht ums Gefallen, sondern um Haltung. Darum, Zeichen für das eigene Leben zu finden. »Statement«-Schmuck bevor es den Begriff überhaupt gab. Was viele Freiheiten mit sich bringt, jedoch auch die ständige Ungewissheit, auf kein vorgefertigtes Repertoire zurückgreifen zu können. Herkömmliche Kriterien, etwa Formschönheit oder Ausgewogenheit, greifen hier zu kurz. Dziubas Schmuck schlägt über die Stränge, sprengt jeden Rahmen und selbst, wenn sie winzig sind, wirken die Stücke larger than life.
Ihr Ausdruck ist die Übertreibung, die Zuspitzung. Was überbordende Fülle heißen kann oder strenge, minimale Setzungen. Erfrischend ist dabei, dass die Entwürfe weder weiblich noch männlich sind und sich über solch dumpfe Festschreibungen seit jeher hinweggesetzt haben. Die Form ist immer spezifisch, selbstbewusst, künstlerisch. Mal provokant, mal feinsinnig besitzt jeder Ring, jeder Anhänger, jede Kette, jede Brosche eine widerständige Sperrigkeit. Betont zu groß für den bloßen Gebrauch oder zu viel, wenn es kleiner ist. Ihr Vokabular, zunächst Silber und Gold mit ausgewählten Edelsteinen, hat Dziuba schon früh mit industriellen Materialien wie Stahl, Messing und Kupfer erweitert – parallel zu Günther Förg, seit der Münchner Akademie einer ihrer engsten Kollaborateure, der zur selben Zeit die Leinwand gegen kunstferne Bildträger aus Kupfer oder Blei eintauscht.

Ihre Zeichen sind Readymades, in gewisser Weise. Die Formen, Schriftzüge, Slogans und Symbole kommen aus der Musik, der Literatur und Comics, aus ihrem Leben, ihren Freundschaften. Die alltägliche Banalität steigert Dziuba allerdings zu eigenwilliger Künstlichkeit. Und gerade auf diese Aneignung kommt es an, um sich selbst zu behaupten.
Schlüssel, Zylinder, Eimer, Kronen, Gitarren, Fußbälle und Kleeblätter erscheinen etwa wie Glücksbringer und sind es zweifelsohne auch. Jede Art von künstlerischer Gestaltung fordert das Glück heraus. Es ist ein schmaler Grat, auf dem man sich zwischen klischeebeladener Zumutung und Anmut bewegt. Und das ist kostbarer als jeder Materialwert.

Dziubas Entwürfe stechen visuell heraus, sind plakativ und verletzlich zugleich. Verletzlich, weil sie sich in einer fragilen Balance befinden. Die Formen sind klar, doch nie geschlossen. Ein fast konstruktivistischer Charakterzug, getrieben von der Neugierde zu sehen, was zwischen den einzelnen Elementen Neues geschieht. Meist sind es drei geometrische oder organische Bestandteile, so dass sich zwischen Geraden, Ovalen, Bögen oder Wellen eben kein Stillstand einstellt. Alles bleibt asymmetrisch, dynamisch und kann bisweilen sogar in den unterschiedlichsten Zusammenstellungen arrangiert werden.

Mode war Gabi Dziubas Schmuck nie, deshalb aber umso näher an der Gegenwart: gewagt und mit Witz, direkt und ungeschönt oder einfach nur ehrlich.

Christian Malycha